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Ein Blick in die Dunkelheit – Besuch der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora

27.11.2024

Anfang November liegen vormittags noch Nebelschwaden auf den Flächen um die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora nahe Nordhausen in Thüringen. Schülerinnen und Schüler der IGS Salzgitter steigen in warmen Jacken aus dem Bus und gehen zum Besucherzentrum. In den folgenden vier Stunden nehmen sie an einer Führung über das Gelände der Gedenkstätte und durch den Stollen der ehemaligen Waffenfabrik teil. Zwischen 1943 und 1945 zwangen die Nationalsozialisten hier zehntausende Zwangsarbeiter zum Bau von V1- und V2-Raketen, was viele das Leben kostete. Der 10. Jahrgang besucht die Gedenkstätte im Rahmen des Gesellschaftslehreunterrichts, um das Ausmaß der Verbrechen zu verstehen und zu begreifen, was es bedeutet, keine Wahl zu haben. Der Titel der Unterrichtsreihe lautet: „Keine Wahl haben – Was passiert, wenn eine Demokratie scheitert? “

Die Führung beginnt im Tagungsraum mit Biografien von überlebenden KZ-Häftlingen, die später zu diesem Ort zurückkehrten, um ihrer eigenen Geschichte und der ihrer toten Mithäftlinge zu gedenken. Die Schülerinnen und Schüler erfahren, dass die Häftlinge, überwiegend männlich, aus rund 40 Nationen stammten. Sie sind erstaunt, dass die Nationalsozialisten Menschen aus so vielen Ländern verschleppten, um sie für ihre Zwecke zu missbrauchen. Viele waren Widerstandskämpfer gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft oder anderweitig politisch Verfolgte. Auch jüdische Häftlinge sowie Sinti und Roma waren inhaftiert. Eine Erkenntnis, die später am Tag aus diesem Wissen erwächst: „Rassismus ist etwas Schreckliches, weil sich daraus so etwas Furchtbares entwickeln kann. Deshalb sollte man keine Vorurteile haben und alle Menschen gleichbehandeln, egal welche Nationalität oder Religion sie haben”, berichtet 10. Klässler Enrico.

Anschließend geht die Schülergruppe zur Stollenanlage, in der unterirdisch im Kohnstein – zum Schutz gegen alliierte Bombenangriffe – die sogenannten „Vergeltungswaffen“ hergestellt wurden. Da die ursprünglichen Zugänge nach Kriegsende gesprengt wurden, führt der Weg durch einen erst 1995 angelegten Tunnel. Dunkelheit, feuchte und stickige Luft umfangen die Gruppe, während sich am Ende des Gangs eine große, weitläufige Halle eröffnet. Hier wird am Modell des Stollens ersichtlich, welcher Gigantomanie die Nationalsozialisten verfallen waren. Dutzende von Haupt- und Querstollen mit insgesamt fast 20 km Länge wurden in den Berg getrieben, und noch mehr waren in Planung. Die Besucher gelangen weiter auf Wegen oberhalb von Schutt und Überresten aus rostigem Metall, die aus den Trümmern ragen. Schattenspiele verleihen der unterirdischen Szenerie etwas Beklemmendes. Insbesondere der Stollen, in dem die Häftlinge über Monate ohne sanitäre Einrichtungen auf vierstöckigen Holzpritschen eingepfercht waren, bewegt die Schülerinnen und Schüler. „Die Atmosphäre war still und bedrückend, da man realisiert hat, wie viele Menschen dort gelitten haben und gestorben sind”, sagten gleich mehrere Schüler einstimmig. Andere beginnen darüber nachzudenken, „wie es dort für mich gewesen wäre, mit so vielen Menschen, ohne richtiges Essen und Toilette und mit so viel schwerster Arbeit, dem ganzen Lärm und den Toten”.

Nach einer Pause, in der die Lernenden sich über ihre tiefschürfenden Eindrücke austauschen, besuchen sie das Krematorium, in dem insgesamt etwa 5000 Leichen verbrannt wurden. In der anschließenden Abschlussrunde zieht eine Schülerin ihr persönliches Fazit: „Wenn man hier vor Ort ist und die individuellen Geschichten der Gefangenen kennenlernt, kann man sich alles viel besser vorstellen, als wenn man darüber nur aus einem Buch liest. Ich bin sehr dankbar, dass ich jetzt die Freiheit habe, zu leben, wie ich es will und froh, dass ich so etwas nicht miterleben muss”, sagt Selen.

Diese Erkenntnisse wurden durch die großzügige Unterstützung der Fahrt durch den Schulförderverein der IGS Salzgitter e.V. ermöglicht. Dem Vorsitzenden Arne Ehlers war es ein wichtiges Anliegen, auch im Rahmen des Schulnetzwerks „Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage“, einen Beitrag zu leisten, damit die Jugendlichen diese besonders eindrücklichen Erfahrungen sammeln konnten. So schließt ein langer Exkursionstag mit einem lichten Gedanken: „Ich finde, man sollte diesen Teil unserer Geschichte kennen, damit er sich auf keinen Fall wiederholt”, erzählt Schüler Niklas am Ende des geschichtsträchtigen Ausflugs in die Vergangenheit.

Text: Sebastian Schröter
Fotos:
Sebastian Schröter, Destina Er

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